Donnerstag, 29. November 2007
Montag, 26. November 2007
Willkommen, ermutigt und entmutigt.

Wenn man wie ich in jedem Semester wieder vor den Erwatungen und Ansprüchen der neuen Generation von jungen, angehenden Aikidoka steht, dann würde man ihnen als erstes am liebsten per Hochgeschwindigkeitstranfer die wichtigsten Dinge vermitteln, damit sie so schnell und vollständig wie möglich über das Grundgerüst verfügen, um sich dem WEG des Aiki zu widmen, ohne andauernd irgendwelche Vorträge über sich ergehen lassen zu müssen.
Leider bleibt das nur eine Wunschvorstellung, denn angesichts der vielen verschiedenen Menschen und Charaktere, die auf unterschiedliche Art an das Aikido herangeführt werden wollen, bleibt einem nichts weiter übrig, als zu versuchen möglichst methodisch und häppchenweise die Grundlagen gemäß der eigenen Interpretation zu vermitteln.
Die sehr knapp bemessenen anderthalb Stunden in der Woche reichen im Grunde gerade mal aus, um die elementarsten Konzepte zu erläutern, sind aber für eine gebührende, geschweige denn vollständige Darstellung gänzlich ungeeignet. So bleibt nur der Verweis an die anderen Kurse und die Hoffnung, die neuen Schüler mögen in ihren Stundenplänen noch Freiräume und genügend Zeit finden, um wenigstens zwei Mal in der Woche zu üben; mehr wäre natürlich besser!
Den eigenen Anspruch und meine eigenen Trainingsgewohnheiten möchte ich nur am Rand erwähnen, sind sie doch nicht im Mindesten repräsentativ für ein Muss oder Soll:
Wenn möglich, trainiere ich jeden Tag in der Woche! Das ist natürlich nicht immer möglich, so dass sich mein Pensum bei ca. 4-5 Mal eingependelt hat, mal mehr, mal weniger. (Mein Lehrer, Günter Heck, hat mal auf meine Frage wie oft er denn vor seiner ersten Dangraduierung trainiert hätte geantwortet: „Na, rate mal!... Jeden Tag", lautete die inspirierende Antwort. Und er fügte hinzu „es gibt nicht mehr viele von uns, die eine Bestimmte Einstellung zur Disziplin und zum ernsthaften Training haben, das ändert sich zusehends. Früher, als Aikido in Deutschland noch neu war, war das anders. Wir waren eine eingeschworene Gruppe, jeder kannte jeden, und wir trainierten viel und an vielen verschiedenen Orten zusammen.")
– Nun wird der eine oder andere einwenden, dass man ja bei einem solchen Trainingsaufwand kein richtiges Privatleben mehr hat, sondern nur noch Aikido praktiziert. Die Antwort darauf klingt vielleicht etwas lapidar, aber: Was gibt es reicheres als ein Privatleben, das sich aus Aikido und Zen zusammensetzt? Aber ich kann euch beruhigen! Natürlich hat man noch ein Privatleben und Zeit für die oder den Liebsten. Das Leben strukturiert sich um den Weg herum, in einem ganz natürlichen Prozess. Die anderen Dinge passen sich den Trainingszeiten an, und was nicht passt wird passend gemacht.
(In Form eines Exkurses sei hier nur erwähnt, dass Vorgesetzte, die um das Studium des WEGES wissen, oft statt verärgert auf das neue Aikido-Zeitmanagement zu reagieren, eher verständnisvoll versuchen bei der Planung zu helfen wo es nur geht, damit man reibungslos zum Training kommen kann. Mir ist es auch schon passiert, dass ich versunken in einem Berg von Akten meinen Alarmhinweis überhörte, um plötzlich über die interne Telefonanlage einen Anruf von meinem Chef zu bekommen, in dem er mich auf die fortgeschrittene Stunde hinwies, und mich aufforderte alles stehen und liegen zu lassen, um nicht zu spät zum Training zu kommen.
Bei einer anderen Gelegenheit bereiteten Freunde einen Kinoabend vor. Man hatte sich auf acht Uhr geeinigt, aber einer der Freunde erinnerte die Gruppe bald daran, dass Henryk nicht vor einundzwanzig Uhr dreißig mit dem Training fertig ist, so dass man auf zweiundzwanzig Uhr umdisponierte, u.s.w. Die Dinge fügen sich, der WEG übernimmt die Ordnung.)
Kampfsport…?
Im Infotext der TU-Seiten steht: „Aikido, die jüngste japanische Budosportart, ist eine auf traditionelle Kampfkünste zurückgehende Art der Selbstverteidigung, die einem Angriff ohne eigene Aggression zu begegnen versucht. Die Kraft im Aikido, das Ki, wird weniger aus körperlicher Stärke als vielmehr aus geistiger Energie, einer entspannten Haltung und harmonischen Bewegungen abgeleitet. Sportliche Wettkämpfe mit dem Ziel eine Rangfolge der Leistung zu ermitteln, gibt es im Aikido nicht."
Mit diesem Worten wird den neuen Kommilitonen gleich eingangs leider kein allzu großer Dienst erwiesen, denn nicht nur bezeichnen sie das Aikido fälschlicherweise als Sport, sondern vermitteln auch noch den Eindruck, als gehöre Aikido in die Reihe der Budo(wett)kampfsportarten, wie zum Beispiel Judo, Ju-jutsu, Karate, Kendo oder ähnlichen.
Also gehört es leider zur Tagesordnung der Übungsleiter des Aikido an der TU, den Neulingen verständlich zu machen, dass Aikido zwar aus der Tradition des Budo, den japanischen Kampfkünsten, stammt, mit ihnen aber nur technische Grundelemente und Elemente der Philosophie gemein hat. Es ist dann nur schwer zu vermitteln und wahrscheinlich noch schwerer nachzuvollziehen, warum einige Budodisziplinen sich zu wettkampforientierten Kampfkünsten entwickelten und andere, wie z.B. das Aikido, diese Form nicht angenommen haben.
Für den Neuling, der mit einer vorgefassten Meinung ins Training kommt (Stichwort: Steven Seagal & Co.), oder aber auch den Wunsch verspürt einen Kampfsport oder Selbstverteidigung zu betreiben, mag der dann vermittelte Eindruck ernüchternd und entmutigend sein, denn die Erklärungen über diese "pazifistische Friedenskunst" (bewußte Redundanz) führen die Meinung, Aikido sei ein Kampfsport und eine Form der Selbstverteidigung, gänzlich ad absurdum.
Akido ist, wie der Name schon sagt ein WEG, japanisch „DO“, dessen Ursprünge in den Traditionen der japanischen Kampf- und Kriegskünste (bugei) liegen, dessen Intention aber – anders als bei den traditionellen Kampfkünsten - in der Form der Vermittlung und Konfliktlösung liegt. Diese historische Darstellungsform, die in das moderne Aikido mündet, schließt die Anwendung von körperlicher Gewalt zum Zwecke der Konfliktbewältigung im Falle des Aikido gänzlich aus. Stattdessen werden im Unterricht bestimmte philosophische Prinzipien vermittels sich wiederholender körperlicher Formen vermittelt, die sich im Aikido Techniken oder Übungen nennen. Im Gegensatz zum Judo z.B. ist es nicht das erklärte Ziel der Aikidotechnik den Partner (so heißt im Aikido der vermeintliche Gegner) zu überwinden oder zu besiegen, vielmehr wird durch fiktive aber möglichst realistische Bewegungen versucht, eine Interaktion der Energien beider Partner zu erreichen, durch die der Normalzustand der Dinge wieder hergestellt werden kann. Dabei dient eine energische Bewegung auf den verteidigenden Partner zu als imaginärer Angriff, dessen Energie vom die Technik ausführenden Partner aufgenommen, weitergeleitet und wenn nötig verstärkt wird, um durch kreisförmige, elliptische und spiralförmige Bewegungen, um eine zentrale Achse herum, die Auflösung der konfliktgenerierenden Energie zu erreichen, also den vermeintlichen Angriff ohne Gewalt zu neutralisieren. Am Ende einer Aikidotechnik ist die störende oder stressende Angriffsenergie verflogen und die normale Harmonie zwischen den Partnern wieder hergestellt. Keiner ist Sieger, keiner Besiegter!
Wenn man also nun versucht den Sinn und Zweck des Aiki-WEGES zu erklären, wird auf der Grundlage des bereits Gesagten deutlich, dass Aikido viel mit dem Verständnis des eigenen Seins, dem Verständnis des Gegenübers, aber auch mit der Fähigkeit zu tun hat, in einer bestimmten Situation, die auch Stress- oder Konfliktsituation sein kann, mit den auftretenden Energien umzugehen, um sie wieder in „normale“ Bahnen zu lenken.
Wer nun partout hinter all dem eine Form von Selbstverteidigung sehen will, soll sich durch das Gesagte insofern bestätigt sehen, als es erfahrungsgemäß tatsächlich so ist, dass sich nach sehr vielen Jahren der Übung des Weges eine solche Fähigkeit zur Selbstverteidigung einstellt. Dies ist allerdings eher auf die innere Reife und auf die gesammelten Erfahrungen aus der Übung der Konfliktlösung, als auf im Training erlernte, tödliche Verteidigungstechniken zurückzuführen.
Wenn mich also heute jemand fragen würde: “Kann ich mich mit Aikido irgendwann verteidigen?“, würde ich antworten: „Ja, klar kannst du das, aber dann hättest du den Sinn des Aikido nicht verstanden! Natürlich kann man sich mit einem Fausthieb verteidigen, aber löst das das zugrundeliegende Problem oder den Konflikt? - Aikido - richtig verstanden - lehrt nicht nur die Fähigkeit der Konfliktlösung, sondern es ermöglicht dem Übenden auch mehr über sich selbst zu erfahren und über die Möglichkeiten, die es gibt, um mit anderen Menschen harmonisch zu koexistieren. Es lehrt uns den WEG Konflikte noch vor ihrem Enstehen zu erkennen und - wenn irgend möglich - zu verhindern, damit die natürliche Hamonie des Lebens nicht gestört wird.
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Samstag, 24. November 2007
Sonntagstraining am 25.11.2007 --- Suwari waza - Shikko
Nachdem sich am vergangenen Mittwoch alle schon nach kürzester Zeit die Knie rieben, und nach ebenso kurzer Zeit nicht mehr auf "Knien" weiterarbeiten konnten, werden wir an diesem Sonntag verschiedene Übungen zur Verbesserung von Flexibilität und Stabilität versuchen.
Es gibt einige kleine Hinweise und Geheimnisse, die erst dann Sinn machen, wenn man den Zweck von "Techniken in der Hocke unter Zuhilfenahme der Knie" vermittelt bekommt.
Außerdem könnt ihr - wenn ihr wollt - an der Zweiten von drei Einheiten über Atemtechnik teilnehmen.
8:30 Atmen
9:00 SitZen
9:45 Matten
10:00 Tanzen (auf Knien! ;o)
Schön euch wiederzusehen,
liebe Grüße
Henryk
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Dienstag, 20. November 2007
Ukemi in Perfektion
Immer mal wieder fragt mich jemand wie, wo und von wem man denn am besten richtiges Ukemi lernen könnte. Mit einem großen Lächeln werde ich die Frager ab jetzt an dieses Video bzw. an die Natur verweisen:
Beeindruckend ist dabei besonders die große Entspannung, die Flexibilität, die extreme Torsion der Wirbelsäule, die instinktive Tendenz in die bestmögliche Position zu gelangen, das extreme Ausfahren der Pfote (des Armes), die meisterlich Übertragung der Fallenergie bei möglichst geringer Belastung der Gelenke sowie der abschließende feste und stabile Stand.
Ist wohl ein besseres Ukemi denkbar?
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Henryk
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Samstag, 17. November 2007
Sonntagstraining am 18. November 2007
Liebe Sonntagssonnenkinder,
es verspricht sonnig aber eisig zu werden!
Wer Interesse an Atemtechniken hat, möge morgen eine halbe Stunde früher zum Training kommen:
8:30 Atemtechnik
9:00 sitZen
9:45 Matten
10:00 Aikido
Ich würde mich freuen, euch zahlreich begrüßen zu können!
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Henryk
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Mittwoch, 14. November 2007
Dir gewidmet, Sebastian,... Du weißt schon warum!
(Dogen Zenji, 1200-1253, brachte das Zen nach Japan.)
Beim Angriff sieht es zwar von außen so aus, als ob ich körperlich angreifen würde, aber der „eigentliche Angriff“ ist ein geistiger Vorgang der Bündelung von Energie.
Dabei muss man - ab dem Moment der gefällten Angriffsentscheidung – mit sich über einige elementare Dinge im Reinen sein:
- Ich werde angreifen, als gäbe es kein morgen.
- Es ist meine Verpflichtung – gemäß dem gemeinsamen Code – meinem Partner die Ausführung der Technik zu ermöglichen.
- Ich muss alle blockierenden und sperrenden Gedanken und Energien loslassen, und versuchen leer (ku) und vorbehaltlos zu sein.
- Ich darf meinen Partner weder blockieren, noch darf ich mich hingeben wie ein Opferlamm bzw. nicht willenlos kollabieren. Der Mittelweg ist der universelle Weg des Aiki. (Wenn warm, dann etwas kalt; wenn kalt, dann etwas warm,…nicht wahr Floh?! ;o) )
- Wenn ich angreife, dann begebe ich mich voll Vertrauen in die Obhut meines Partners. Das kann sich unter Umständen anfangs unangenehm anfühlen, denn bei einem vollkommen aufrichtigen, ehrlichen und ungebremsten Angriff komme ich an den Punkt ohne Wiederkehr (point of no return), an dem meine Energie und mein Angriffsimpuls so groß und zielgerichtet ist, dass ich ihn nicht mehr anhalten oder zurücknehmen kann. An diesem Punkt führt mein Partner die Form oder Technik aus.
- Mich der Obhut des Partners zu überlassen bedeutet im Grunde die Kontrolle über das eigene Leben für einige Augenblicke aufzugeben. Es bedeutet, dass der Partner für einen kurzen Moment über mein Leben und über meinen Tod bestimmen kann. Hier liegt die Analogie mit der Situation der sich für einen Kampf gegenüber stehenden Samurai nahe: wer von beiden nicht völlig leer, frei und überzeugt angreift, also mit Angst am Leben haftet, wird dem Untergang nicht entgehen können, denn der Gedanke an den möglichen eigenen Tod stellt ein Zögern dar. Dieses Zögern macht meinen Angriff unaufrichtig, da ich zweifle. Mein Angriff wird unbeständig, abgehackt und schwerfällig. Das Zögern macht meine Glieder hart und unflexibel. Es lässt mich erstarren in der Furcht vor meinem möglichen Tod.
Um also im Aikido – oder besser gesagt im Budo generell – aufrichtig handeln zu können, muss ich bereit sein über den eigenen Tod hinaus zu gehen.
Ich hebe mein Schwert, ich hebe meine Faust und der Sinn meines Angriffs ist im Grunde die Zerstörung meines Gegenübers. Um diesen Zweck zu erreichen muss ich bereit sein meinen eigenen Tod in Kauf zu nehmen. Folgt man den Lehren des Zen, so muss ich in mein Grab hinabsteigen, um mein wahres ICH zu gewahren (vgl. Dogen 1200 n. Chr. In: Sawaki, Angkor 2000, Deshimaru, Theseus 1990, Kosen, Kösel 1999).
Genau so muss der Aikidoka all seine Energie darauf verwenden aufrichtig zu handeln. Natürlich möchte niemand sterben, auch ein großer Meister möchte weiter leben! (Deshimaru 1982). Das man in diesem Zusammenhang denken könnte, ein Zen-Praktizierender oder ein Aikidoka muss sterben wollen um frei und unvoreingenommen handeln (angreifen) zu können ist ein Missverständnis, was mit der kausal verkettenden Ratio zu tun hat; tatsächlich handelt es sich aber um ein Gleichnis. Es ist das größte Koan (Erziehungsmittel außerhalb des Denkens) des Za-Zen und nicht mit dem Bewusstsein oder dem Intellekt zu erfassen. Es ist eine instinktive Einstellung und Überzeugung, die nicht aus dem Denken und Erwägen entspringt, sondern sprichwörtlich aus dem Bauch (tanden, hara).
Wenn ich also loslassen kann, wenn nichts mehr wirklich wichtig ist – und angesichts des Todes ist nichts mehr wirklich von Bedeutung (Deshimaru 1982) – dann kann ich gleichzeitig mit voller Energie angreifen und bin dabei aber völlig entspannt, denn mir kann nichts passieren, außer dass ich sterbe; was macht das schon? Aber wie soll die maximale Anspannung des Angriffs mit völliger körperlich-geistiger Entspannung vereinbar sein?
Nun, die Beantwortung dieser Frage setzt wohl die höchste Meisterschaft im Budo voraus. Ich kann nur von meiner Perspektive des ewigen Anfängers aus antworten: diese Form des perfekten Spannungsverhältnisses äußert sich vornehmlich in jenen seltenen Augenblicken, in denen man das Gefühl hat, eine Form oder Technik würde wie von allein fließen, ohne das eigenes Zutun notwendig wäre. Es handelt sich um jenen Moment, in dem man zum Beispiel als Uke (Angreifender) während der Technik von Nage (Verteidigender) in ein schwarzes Loch fällt, die Augen für einen Augenblick schließt, um, wenn man sie wieder öffnet festzustellen, dass man unbeschadet und schmerzfrei gefallen ist.
(Taisen Deshimaru, 1914-1982, brachte das Zen nach Europa, wirkte bis zu seinem Tod in Paris. War Lehrer der meisten heute aktiven Meister des Soto Zen in Europa.)
Während dieser so seltenen Momente verliert man das Gefühl für Zeit und Raum, es kommt einem vor, als sei alles nur noch ineinander fließende Energien, die zu einem großen Ganzen gehören. Jeder Versuch einer Verbalisierung ist nicht möglich, es bleibt nur ein Gefühl im Bauch und ein Lächeln im Gesicht zurück. Das Universum atmet mit mir ein und aus, ein neuer Tag, ein neues Training, wieder von vorn den Weg des Aiki gehen, jeden Tag meines Lebens und darüber hinaus.
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Henryk
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Dienstag, 13. November 2007
Sonnenkinder auf 'ner Party am Freitag, dem 16.11.2007
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Henryk
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Sonntag, 11. November 2007
Makoto: Kümmere Dich aufrichtig um andere Menschen.
Aufrichtigkeit: Makoto, es gibt viele Versionen und Lesungen: jap. 実, 信, 真, 誠: vollkommene Aufrichtigkeit, aber auch Redlichkeit, Wahrheit, Ehrlichkeit, Wirklichkeit, tatsächlich, real, wahr etc.
Meister Taisen Deshimaru Roshi (1914-1982), einer der bedeutendsten Zen-Meister unserer Zeit, definiert Bushidô folgendermaßen:
„Bushidô, der WEG des Samurai, entstand durch die Vereinigung des Buddhismus und des Shintoismus." Dieser WEG lässt sich in sieben wesentlichen Punkten zusammenfassen:
1. Gi: die rechte Entscheidung aus der Ruhe des Geistes, die rechte Haltung, die Wahrheit. Wenn wir sterben müssen, müssen wir sterben.
2. Yu: Tapferkeit und Heldentum.
3. Jin: die universale Liebe, das Wohlwollen gegenüber der Menschheit.
4. Rei: das rechte Verhalten – ein ganz grundlegender Punkt.
5. Makoto: vollkommene Aufrichtigkeit.
6. Meiyo: Ehre und Ruhm.
7. Chugi: Hingabe und Loyalität.
Diese wesentlichen Punkte gehen demnach auf die folgenden Einflüsse zurück:
Der Shintô brachte die extrem kriegerischen Elemente ein:
• Makotô, die Reinheit des Geistes,
• Giri, das Pflichtbewusstsein, die Pflichterfüllung,
• Chûgi, die Treue zum Tennô und seinem Daimyô,
• Yamato-damashi, die Ahnenverehrung,
• Yamato-kokoro, den Patriotismus
(Yamato = Japan, kokoro = Herz, Geist, Seele).
Vom Konfuzianismus wurden vorwiegend die Moralvorstellungen (gojô, die fünf Tugenden und gorin, die fünf ethischen Prinzipien) übernommen:
• Chû, die Loyalität gegenüber seinem Vorgesetzten, dem Clan und der Familie,
• Gi, die richtige Haltung, die strikte Beachtung der Normen,
• das Bekenntnis zu den fünf Tugenden: Empfindsamkeit (yin), Höflichkeit (rei), Aufrichtigkeit (shin), Weisheit (chi) und Gerechtigkeit (gi).
Der Zen-Buddhismus brachte vor allem die Fähigkeit,
• das Unvermeidliche zu erdulden,
• sich intensiv zu konzentrieren,
• selbst in gefährlichen Situationen Ruhe zu bewahren und
• die Überwindung der Angst, vor allen Dingen der Angst vor dem Tod.
„Aus diesen drei geistigen Quellen entwickelte sich eine eigenständige Ideologie, der sich das gesamte japanische Volk verpflichtet fühlte“, (Vgl. LIND, WERNER: Die Tradition des Karate. Geschichte, Meister und Stile der traditionellen Kampfkunst in Okinawa und Japan. Heidelberg, Kristkeitz 1991.)
Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, finden sich diese Strukturelemente in den Grundpfeilern des Budo wieder. Dabei kann man Budo stark verallgemeinernd als Sammelbegriff für japanische Kampfkunstsysteme, die neben der körperlichen Verbesserung vor allem auf die Vervollkommnung des Geistes zielen, bezeichnen. Allen Budo-Kampfkünsten ist gemein, dass sie großen Wert auf Disziplin, Verantwortungsbewusstsein und das richtige Verhalten aus Überzeugung (charakterliche und innere Reife) legen. Dabei werden die Budo-Kampfkünste stark vom japanischen Bushido beeinflusst. Der Bushido ist im Denken der Japaner und in der Tradition des Landes so tief verwurzelt, dass er im gesamten japanischen Alltagsleben, sogar bis in die heutige Zeit, spürbar sein soll. Diese These wird uns in nächster Zeit von unserem lieben Freund Youssef entweder bestätigt oder definitiv widerlegt werden!
Gelten tut dieser Sachverhalt allerdings besonders für die Budo-Kampfkünste; nicht zuletzt, weil viele Samurai nach dem Verbot, ihre Waffen in der Öffentlichkeit zu tragen, sich vermehrt in Richtung der waffenlosen Budokünste orientierten. Budo beinhaltet aber nicht nur waffenlose Kampfkunst, sondern auch Waffenkünste wie das okinawanische Kobudo oder das Kendo. Die wichtigsten Budo-Kampfkünste sind: Aikido, Iaido, Judo, Jujitsu, Karate, Kendo, Kenjutsu, Kyudo. Ihnen allen ist gemein, dass sie einen „Weg der Persönlichkeitsentwicklung“ darstellen. Das Ziel dieser verschiedenen Formen des WEGES ist es nicht einen Kampf zu gewinnen, sondern ihn zu vermeiden und den Feind zum Freund zu gewinnen. Auf der technischen Ebene sind Geschmeidigkeit und Elastizität gefordert, um den Angriff des Gegners ins Leere laufen zu lassen. Die Techniken zielen auf das Gleichgewicht des Gegners und auf geschicktes Ausweichen oder Umlenken der Energie des Gegners, der in einem fortgeschrittenen Stadium zum Partner einer gemeinsamen Bewegung wird.
Meister Christian Tissier verwendet während seiner Seminare oft den Terminus des Codes oder der stillschweigenden Abmachung, gemäß dem die Partner die Formen der Technik miteinander üben oder auch einstudieren. Um dieses gemeinsame Studium zu ermöglichen werden bestimmte Elemente als bekannt vorausgesetzt. So versteht es sich, dass man während des Trainings den Partner nicht verletzt, noch sich ihm mit böser Absicht entgegenstellt oder blockiert. Der Sinn des gemeinsamen Übens besteht in der Möglichkeit die Formen des WEGES gemeinsam zu erleben bzw. es dem Partner zu ermöglichen die Formen zu erlernen und zu perfektionieren. Diese Abmachungen gehören im weitesten Sinne zur grundlegenden Etikette aller Budoarten und machen somit ihren gemeinsamen Charakter aus.
Wie ich auch schon im Kapitel über die Vorbehaltlosigkeit erklärte, stellt der hier zu besprechende Terminus der Aufrichtigkeit also eine dieser stillschweigenden Abmachungen dar, ohne die der WEG nur schwerlich zu beschreiten wäre.
Rein technisch und dem Wortlaut folgend bedeutet Aufrichtigkeit in einer ersten Instanz weiter nichts, als dem Partner mit dem Ziel gegenüber zu treten, ihm beim Studium des WEGES zu unterstützen. Diese Unterstützung äußert sich vornehmlich als Zuwendung und Aufmerksamkeit in Form des Angriffs, und als Beobachtung und Anpassung in Form des Ukemis. Eng mit dem Konzept der Vorbehaltlosigkeit verbunden, bietet die notwendige Aufrichtigkeit sprichwörtlich eine Chance um dem Partner „reinen Herzens“ zu begegnen und ihm mit großer Hingabe das eigene Leben anzuvertrauen.
In einem nächsten Schritt bedeutet Aufrichtigkeit schon viel mehr als nur eine äußere, körperliche Haltung. Die tiefsten Gedanken und Gefühle drücken sich unweigerlich auf unserer Oberfläche als Gesten und Bewegungen aus. Der Gemütszustand lässt sich nur schwer verbergen und der Versuch einer bewussten Vertuschung führt meist zu sichtbaren Verspannungen und Verhärtungen in der Haltung, so dass Aufrichtigkeit zum Synonym für die Balance zwischen innerer Aufrichtigkeit und einer äußeren freien und gelösten Körperhaltung wird.
In diesem zerbrechlichen Zustand völliger Aufrichtigkeit (makoto) bekommt der Begriff weitere Dimensionen: von der Aufrichtigkeit dem Partner gegenüber entspringt die unbedingte Notwendigkeit der Aufrichtigkeit vor sich selbst, vor dem eigenen Wesen als Bedingung für die Hinwendung zum anderen. Diese Form des aufgerichtet Seins, des in sich selbst Stehens und Ruhens, deutet auf die Wahrnehmung des eigenen Seins hin. Stehen ohne eine Last, völlig aufgerichtet, vollkommen wach, fähig alles wahrzunehmen, wirklich und wahrhaftig zu SEIN, angefüllt von allem, vereinigt mit allen Dingen, ohne an ihnen zu haften (mushotoku), die Dinge und den Partner bemerkend, aufmerksam, hier und jetzt völlig leer (mu).
Das Erbauliche an diesen Grundelementen des BuDO - und somit auch des AikiDO - ist ihre Konnektivität. Sie sind nicht nur miteinander verbunden und verwoben, man kann sie auch untereinander austauschen und verwenden, um ein anderes Glied in der Kette zu verdeutlichen oder genauer zu erklären. Aber die Abwesenheit allein eines der Bausteine erzeugt unweigerlich ein beträchtliches Ungleichgewicht im Fluss des universellen KI.
Das kohärente Gebäude des Budo als integrativem Teil des Lebens kann nur bestehen und seine Wirkung entfalten, wenn der Praktizierende sich zu jeder Zeit aller formativen Elemente bewusst ist. Dabei handelt es sich nicht um eine aktive Form des Bewusstseins, sondern lediglich um die Präsenz des Gedankens im „hier und jetzt“, so wie er durch die Praxis des Za-Zen gefördert wird, und letztlich in der unbeschreiblichen Vollendung der Ästhetik der Aikidoformen zu beobachten ist.
In meinem Verständnis stellt Aikido eine Emulation des natürlich-universellen Flusses dar. Eigentlich immer präsent, haben wir Menschen verlernt den Fluss zu sehen und zu fühlen. Vergegenwärtigen wir uns aber die Säulen des Budo und akzeptieren die Leere des Zen, dann erscheint der Fluss nicht nur in aller Deutlichkeit, sondern er tritt in uns, greift an unsere Essenz und lässt uns in ihm aufgehen. Nach außen hin mag das profan als Meisterschaft im Budo erscheinen. Aber in der inneren Sphäre bedeutet das nichts anderes als die Rückkehr zum Ursprung der Dinge.
So wie die Kuh muht und das Neugeborene schreit, so gliedert sich der eigene kontrollierte Atem (OM, oder die Kunst seinen Atem zu beherrschen) unter dem Einfluss des Budo und des Zen in das Unisono des Kosmos. Aikizen oder Zenkido also als ganzheitliche Therapie des Lebens. - So lasse ich mir meine Medizin gefallen, auch wenn sie unter Umständen bitter daher kommt, aber wie süß ist auf Dauer ihre Wirkung.
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Verwendete Literatur:
Davey, H. E.: Unlocking the secrets of Aiki-jujutsu, Indianapolis 1997.
Deshimaru, Taisen: Die Lehren des Meister Dogen: Der Schatz des Soto-Zen, München 1991.
Deshimaru, Taisen: Zen in den Kampfkünsten Japans, Heidelberg-Leimen 1994.
Nocquet, André: Der Weg des Aikido: Leben und Vermächtnis des Aikido-Gründers O-Sensei Morihei Uyeshiba, Weidenthal 1985.
Protin, André: Aikido, eine Kampfkunst ohne Gewalt: ein Weg der Selbstfindung und Lebensführung, München 2004.
Stevens, John: The secrets of of Aikido: The hidden teachings and universal truths of Aikido, as taught by its Founder, Morihei Ueshiba, Boston 1985.
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Sonntagstraining am 11. November 2007:
9:00 sitZen
9:45 Matten
10:00 Aikido
Bekommen wir wieder Sonne?
Ich freu' mich auf euch,
liebe Grüße,
Henryk
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Mittwoch, 7. November 2007
Lost in Translation, heute um 22:15 im WDR
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Freitag, 2. November 2007
Ich bin bereit dich zu verstehen,... aber auch mich selbst.
Einfühlungsvermögen (jap. ゲフュールス・アインフュールンク; ゲフュールスアインフュールンク, wörtlich: Einfühlung {f} in das Gefühl jmdn. anderen)
Auf den ersten Blick erscheint der Ausdruck des Einfühlungsvermögens nicht missverständlich, noch eröffnet sich sogleich der Zusammenhang mit unserem Aikido. - Gern als feminine Charaktereigenschaft bezeichnet, lädt der Begriff geradezu dazu ein, einen zum Einfühlen fähigen Menschen als tugendhaft und sensibel zu bezeichnen.
Was also macht diese Eigenschaft des menschlichen Charakters aus, dass ich mich entschieden habe sie an die zweite Stelle meiner Sammlung von Grundbegriffen zu stellen?
Wenn man ohne lange nachzudenken antwortet, so wird man schnell verführt zu sagen, dass der Einfühlende sich einfach sehr gut in eine andere Person hineinversetzen kann, sich also sprichwörtlich in sie hinein fühlt. Aber bei genauerem Hinsehen stellt man schnell fest, dass an diese Eigenschaft Voraussetzungen gebunden sind, ohne die die Fähigkeit zum Einfühlen nicht zum Tragen kommen würde.
Denn wie sollte unsere sensible Figur – nennen wir sie der Einfachheit halber „den Einfühlsamen“ – ein anderes Individuum wahrnehmen und verstehen, wenn er sich nicht erst selbst wahrnimmt (Wahrheit > wahr sein > sein) und sich selbst versteht (stehen > Haltung)?
Somit beginnt der emotionale Versuch sich in sein Gegenüber einzufühlen eigentlich bei sich selbst, bei der Abgrenzung des eigenen Seins zu allem anderen und der Definition des eigenen Ich in Abgrenzung zu den anderen Menschen, wonach die eigene Erfahrung auf einer Negativdefinition oder Subtraktion der eigenen Individualität vom Kollektiv basiert. Selbstwahrnehmung also als Abgrenzungsmechanismus aus der Masse und ergo Bestätigung des eigenen Seins durch Negation: Das sind die anderen, ich bin nicht die anderen, also bin ich das!
Das Problem bei dieser Form der Wahrnehmung liegt im Konzept der Ausgrenzung, denn wenn der Ausgangspunkt der eigenen Findung das Heraustrennen des eigenen Seins aus dem kollektiven Sein der Natur ist, dann ist jeder Versuch des Herantretens an einen Teil "des Anderen" wie eine Art Regression, bei der man versucht etwas zu verstehen, von dem man irgendwann mal ein Teil war. Es fühlt sich an, als erahne man etwas von den Eigenschaften "des Anderen", als kenne man dieses "Andere", kann aber nicht sagen warum und wieso.
Für unser Aikido bedeutet dies, dass Einfühlungsvermögen sehr viel mit der eigenen, ausgegrenzten Persönlichkeit zu tun hat, die nun in einer ritualisierten Ausnahmesituation aufgefordert wird mit einem Teil "des Anderen" umzugehen.
Wenn man dabei von der Prämisse ausgeht, dass unser Gegenüber sich in einer ähnlichen, vielleicht sogar in der selben Situation befindet wie wir selbst, dann bekommt die Geste des Einfühlens eine neue Dimension: Es treffen zwei Individuen aufeinander, aber sie sind sich nicht wirklich fremd, sie berühren sich, obwohl sie von einander annehmen nicht zusammen zu gehören.
Es lohnt sich diese Worte genau zu betrachten: Individuum kommt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich "nicht teilbar". Aufeinandertreffen steht für den Kontakt zweier getrennter Energien, die sich an einem Punkt berühren. Folglich treffen sich an einem bestimmten Punkt zwei unteilbare Energien, die von sich glauben auch nicht vereinbar zu sein. Der Punkt ihres Zusammentreffens ist der Kontakt. Auch dieser Ausdruck kommt aus dem Lateinischen, von "contingere" und bedeutet berühren. Die beiden nichtteilbaren Energien treffen also aufeinander und berühren sich. Unter bestimmten Bedingungen - den Bedingungen des Aiki - können sie sich sogar vereinen, aber nicht nur miteinander, sondern gleichzeitig mit allem was sie umgibt.
Der Weg des Aiki bietet dem Aufmerksamen und Einfühlsamen ein Werkzeug, einen Mechanismus, der es den beiden unteilbaren Energien erlaubt sich zu berühren, ohne dass sie aufeinander prallen müssen. Statt eines energetischen Gegeneinanders findet der Aikidoka durch sein Einfühlungsvermögen den Weg zum Verständnis sowohl seines eigenen Ich, und von dort aus zur Analogie seines Gegenübers. - Wenn dann beide Energien erst sich selbst, dann den anderen begriffen, berührt, und kontaktiert haben, sie sich selbst im Spiegelbild des Aikidopartners gespiegelt sehen und verstehen, dass es keinen Unterschied gibt, dann finden sie zum Ursprung der natürlichen Energie zurück, jener Energie in der es keine Unteilbarkeit mehr gibt. In ihr - der universellen Energie - findet der Aikidoka und Za-Zen-Praktizierende den wahrhaften Zustand der Unteilbarkeit und Universalität, denn wenn alles zu allem gehört, wie kann man dann etwas von etwas trennen?
In diesem Zustand kommt die Natur zur Ruhe, das Universum kümmert sich wieder um seine Atmung, die Gezeiten, und wir gehen für einen Augenblick in einer einzigartigen, weil unteilbaren Energie auf, die irgendwann mal die Grundlage von allem war, und realisieren den wahren Wert des Einfühlens in uns, in andere, in alles, denn dann haben wir das Geschenk des Weges in unser Herz aufgenommen.
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Sonntagstraining am 3. November 2007:
9:00 sitZen
9:45 Matten der Sicherheit
10:00 Weg des Herzens
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